Mittwoch, 15. Februar 2012

Die Geschichte einer Familie




Wenn Vergangenheit Geschichte ist - Eine Familiengeschichte, eingebettet in die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts

Die überarbeitete Fassung als e-book im neuen Gewand






Der Klappentext


Hanna Elisa fliegt gemeinsam mit ihrem Mann in den Mittleren Osten, um ihre Tochter und das neugeborene Enkelkind zu besuchen. Auf dem langen Flug führen die Gedanken sie in eine Zeit, die sie nur aus Erzählungen ihres Vaters und ihres Großvaters kennt, verfangen sich in den unruhigen Zeiten ihres eigenen Beginns.
Es begann alles auf einer Hochzeit, als die fröhliche Lilli dem Marinesoldaten Hardy begegnete, der einst ausgesandt wurde die Welt zu erobern. Der ehemalige U-Boot Funker Hardy, Sohn eines Bergarbeiters oft nur knapp dem Tod auf den Weltmeeren entronnen und Lilli, ein unbekümmertes rheinisches Mädchen, planten voller Zuversicht ihre gemeinsame Zukunft. Tatkraft und Ideenreichtum, Optimismus und Humor prägten ihre Taten, die sie auch die schwierigsten Zeiten überstehen lässt. Hanna Elisa erlebte zwei Welten. Da war Lillis Familie, angeführt von Jakob, dessen hohes Ansehen im Dorf ihn zum Berater der Unsicheren machte. Von ihm lernte Hanna Elisa schon früh, sich einzumischen und die streng katholische Großmutter, die dem Kind nicht erlaubte am Morgen vor dem Beten zu singen. Im Ruhrgebiet lebten Hardys Eltern, unpolitisch und nicht nur zu Jakobs Entsetzen waren sie einst Befürworter Hitlers Politik. Erst als die Auswirkung des Krieges auch ihre Familie erreichte entstanden Zweifel.  Hier erlebte Hanna Elisa Urlaubstage ohne Fesseln, Zusammentreffen der Nachbarschaft auf der Bank unter dem Fliederbaum, gemeinsames Musizieren, Toleranz  -  aber auch das Auseinandergehen der langjährigen Gemeinschaften, als der Fernseher seinen Siegeszug antrat.






Leseprobe

Frühling 1997

An manchen Tagen zweifelt Hanna Elisa, ob es ratsam ist in den alten Fotos zu kramen. Oft schmerzte es, die so weit von ihr entfernt lebenden, so nah zu sehen. Das aufgeschlagene Fotoalbum liegt vor ihr auf der Erde und versonnen betrachtet sie die Bilder des Sommers vor einem Jahr und denkt daran, wie sie ihrem Enkel die Bilder der eigenen Kindheit zeigte. Verwundert hatte er sie beim Anblick der Fotos angeschaut ungläubig gefragt,
„Das kleine lockige Mädchen bist du? Nein Oma, das ist nur der Beginn einer neuen Geschichte!“
„Nein, nein, mein Schatz, das ist die Wirklichkeit. Alle Menschen kommen klein zur Welt, werden Jahr für Jahr größer bis sie erwachsen sind und sie sind so unterschiedlich wie die Steine, die wir vor wenigen Tagen zusammen am Strand sammelten. Manche werden dick und klein, andere dünn und groß,  vielleicht auch groß und dick, und denke nur an den Blumenverkäufer in Avila, dann weißt du, kleine dünne Menschen gibt es auch. Einige Menschen sind fröhlich, andere ernst. Es gibt die lieben und die bösen, denen man am besten aus dem Weg geht und die herzensguten, von deren Seite niemand weichen will, weil sich jeder in ihrer Nähe so geborgen fühlt. Da sind noch die stillen Menschen und die, die ständig reden, obwohl sie nichts zu sagen haben und die ignoranten, die tollpatschigen und die geschickten. Nur eins trifft auf jeden Menschen zu, er ist einzigartig und auch dich Noah gibt es nur einmal auf der Erde“.
  Andächtig hörte der Kleine ihr zu, in jeder Hand ein kleines Auto, mit denen er über riesige Phantasiestraßen um sie herum fuhr, immer wieder einen Blick auf ihre Fotos werfend und sie blickte abwechselnd auf das spielende Kind und auf das Foto in ihrem Album.
  Sie sah sich auf der Wiese am Hang sitzen, kleine Blumen in der Hand, fühlte sich in den längst vergessen geglaubten Frühlingstag zurück versetzt. Fragte sich, was davon bin noch ich, -  beeinflussen Erinnerungen und Erfahrungen aus dieser Zeit, in der mir nur Liebe und Zuverlässigkeit begegnete, noch meine heutigen Handlungen?
Zur Zeit der Baumblüte, von der das Foto erzählte, war sie achtzehn Monate alt, einer rundlichen pausbäckigen Puppe ähnlich.  Wie anders sahen die Erwachsenen aus, eingefallene Wangen, schlotternde Anzüge und zu weite Kleider an ausgemergelten Körpern und selbst das glückliche Lachen über die wieder erlangte Freiheit, das Zusammentreffen der Familie an einem herrlichen Frühlingstag, verdrängte die Panik und die Angst über das in der Vergangenheit erlebte nicht aus ihren Augen. 
Der Zeit entsprechend war das Bild schwarzweiß. Verblüfft sah Noah sie an,
„Oma wo hast du die Farben verloren?“
„Nein mein Kind, ich habe sie nicht verloren, sie sind alle noch in meinem Kopf“.
  Unzählige Male besuchte sie bis in die ersten Jahre ihrer Ehe diese Wiese zur Zeit der Obstblüte und sie schilderte dem blonden Jungen an ihrer Seite die Farbenvielfalt, die das kleine Mädchen Jahr für Jahr verzauberte.  Die von ihrer Mutter bereits vor ihrer Geburt gestrickten, mit kleinen bunten Blumen bestickten weißen Wolljacke, den blauen weiten Rock, aus einer alten Marineuniform ihres Vaters genäht, Vorkriegsware, konnte sie sich mit den Geschichten ihrer Entstehung gut ins Gedächtnis rufen. Nachdem sie aus diesen Sachen heraus gewachsen war, wurden sie noch Jahre später von ihren Cousinen getragen. Sie liebte diese Wiese, und beim Blättern in den Fotos schien es ihr, der Duft der Frühlingstage hüllte sie immer noch ein, begleitete sie bis in die Gegenwart, um sie vor den unechten synthetischen Gerüchen einer egoistischen, verlogenen, doppelzüngigen, nur den lauten Äußerlichkeiten, Effekten und Schlagzeilen hinterher jagenden Meute zu schützen, und für einen kostbaren Augenblick verdrängte der zarte Frühlingsduft aus glücklichen Kindertagen die kalte übel riechende Aura der Menschen aus ihrer Nähe, die ohne Rücksicht auf das Erhaltenswerte nur an ihrem Profit interessiert waren, die Stunde für Stunde mehr Raum in der Gesellschaft einnahmen, das Tagesgeschäft bestimmten.
Sie liebte die Frühlingsblumen, die Kirschbäume, den kleinen Bach und das Gefühl der Freiheit, dass sie auch später bei der Erinnerung an diese Ausflüge stets empfand. Das Versprechen wieder kommen zu dürfen, wenn das erste Obst reif war, schenkte ihr Sicherheit und sie sah sich hinter den Erwachsenen den Berg hinauf hüpfen, die mit Leitern und Körben beladen auf dem schmalen steilen Patt liefen, erinnerte sich, wie sie sich wieder und wieder umschaute, ihren Großvater Jakob nachahmend, der oft stehen blieb, um zu verschnaufen und unentwegt feststellte, es gäbe keine schönere Aussicht auf der Welt, als von hier auf den Rhein zu schauen, auf das Siebengebirge mit dem Drachenfels.
„Nirgendwo auf der Welt ist die Landschaft so großartig, nirgendwo ist das Obst so saftig und süß, der Kohl so dick und fest, der Spargel so zart. Ein Segen ist es, dass wir all diese Köstlichkeiten ernten können“. Hanna Elisa glaubte ihm. Denn Jakob  gehörte zu den Erwachsenen, zu denen man als Kind absolutes Vertrauen haben konnte, der alle ihre Fragen beantwortete und der sie mit seinem Tod zum ersten Mal enttäuschte. Als Jakob starb, war Hanna Elisa vierzehn Jahre alt und bereits im Augenblick seines Todes spürte sie, dass er ihr fehlen würde, sein Verständnis, seine Geschichten und sein Weitblick, über den sie sich im nach hinein wunderte. Schließlich war er kaum aus seinem rheinischen Dorf heraus gekommen. Allerdings hatte er seit seinem vierzehnten Lebensjahr für die Reichsbahn, später Bundesbahn, gearbeitet, hatte in der Rotte angefangen und sich zum Stellwerksleiter hochgearbeitet, und wenn sie heute darüber nachdachte, über all die  Züge, denen er hinterher sehen durfte, mit ihnen seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte, war sie  überzeugt, dass ihm diese Arbeit half über den dörflichen Rahmen, in dem er lebte und sich verwurzelt fühlte, hinaus zu denken.
Entschlossen schlug Hanna Elisa das Fotoalbum zu. Aber es gelang ihr nicht in die Gegenwart zurückzukehren. Versonnen blieb sie auf dem Teppich sitzen. Fünf Jahre war es her, dass ihre Tochter Laura das Elternhaus verlassen hatte, um ihren Lebensmittelpunkt in den Mittleren Osten zu verlegen und sieben Monate waren bereits vergangen, dass sie mit Simon und den Kindern durch Felder und Wiesen streiften und während sie auf ihren täglichen Spaziergängen Laura und dem Kind aus den längst vergangenen Tagen erzählte, die sie auch nur durch die unerschöpflichen Geschichten ihres Großvaters kennen gelernt hatte, glaubte sie Jakobs Nähe und seine beschützende Aura zu spüren. Ihr  Herz schlug höher, wenn sie daran dachte, dass Laura den alten Brauch  des Geschichtenerzählens in der Familie weiterführte. Als sie Sven nach Bahrain folgte, Verantwortung für Kinder, Haus und Garten übernahm und in der traditionellen Rolle der Frau lebte, erkannte sie, egal in welches Land der Erde, in welche Kultur, sie durch Svens Beruf noch verschlagen würde, nichts war wichtiger, als den Kindern ein zuverlässiger Ruhepunkt in einem unruhigen Leben zu sein. Diese Einstellung gab ihr die Geduld auf den Zeitpunkt zu warten, an dem die Kinder beginnen würden eigene Wege zu gehen und sie nutzte ihre Kreativität und ihre Talente im häuslichen Bereich, erfand nicht nur zu Noahs Vergnügen phantasievolle Geschichten und originelle Spiele. Nie gingen ihr die Einfälle aus, die alle zum Lachen brachten und vergessen ließen, das man den Pool, den Spielplatz und das Meer, die vor der Haustür lagen, an den unerträglichen Tagen der heißen trockenen Wüstenwinde, die aus Saudi Arabien kamen, nur vom Fenster aus betrachten konnte. In Lauras Obhut verwandelte sich der Tag in einen Traum für Zaubergestalten und alle die ihr zuhörten vergaßen mit Hilfe ihrer Worte Raum und Wirklichkeit und die gut funktionierende Klimaanlage ließ die Besucher die barbarische Hitze, die auch nachts nicht von der Insel wich, unwirklich erscheinen. Es war ihnen bereits entfallen, dass sie erst vor wenigen Stunden bei ihrer Ankunft darüber klagten, das die Hitze und die Luftfeuchtigkeit ihnen fast den Atem nahm. Und während sie am Fenster standen, über das Meer blickten und Lauras Geschichten lauschten, glaubten sie dem unermüdlichen Wind, der verführerisch mit leichtem Säuseln durch die mächtigen Kronen der Palmen wehte, dass er die ersehnte Abkühlung bringen würde. Wenn ein Besucher die Terrassentür öffnete, einen Schritt auf den Rasen trat, um die kühle frische Luft zu spüren, die er durch das Fenster wahrgenommen hatte und statt einmal tief durchzuatmen, erschrocken ins Haus zurück eilte, lachte Laura und während der Besucher seine Arme in dem Glauben betrachtete, entstellende Verbrennungen zu sehen, erzählte sie, dass sie im ersten Jahr ihres Hier seins  zu oft auf die Verführungskünste des Windes hereingefallen sei. Sie verschwieg, dass sie an manchen Tagen Tränen überströmt wieder ins Haus gerannt war, von Sehnsucht nach einem kühlen deutschen Sommer erfüllt. Und der Wind zog ohne Erbarmen weiter über die märchenhafte Insel. Statt Kühle zu bringen, trocknete er in kurzer Zeit die zarten Blüten der Bäume und Sträucher aus, raubte das letzte Tröpfchen Wasser, das sich in einer Baumrinde verborgen hielt und versteckte die Farben der Insel unter einem Schleier aus heißem Sand.








In den Trümmern von Remagen aufgewachsen habe ich mir seit  frühester Kindheit Gedanken zum Krieg gemacht, ob von Staatshäuptern oder Industriellen ausgehend, ob der Krieg sich gegen den Menschen richtet oder gegen die Natur. (die letztendlich immer beide betroffen sind) Die Entwicklung der Waffen spricht nicht von Intelligenz sondern von Verblendung und Selbstverliebtheit. 

Mein Fazit, kein Krieg ohne Religion, Gier, Dummheit, Kurzsichtigkeit, Überheblichkeit. Kein Krieg ohne die Denkweise der Krupps, Thyssen und Quandts.... Auf allen Kontinenten unserer Erde fehlt Geld für Bildung und Nahrung, aber nirgendwo für Waffen. Still und leise wurde während der letzten Fußballweltmeisterschaft die Luftwaffe der Bundeswehr für Milliarden aufgerüstet, vor wenigen Wochen wurden wieder Milliardenbeträge bewilligt. Sind wir bereit wieder zu töten? 
Leid über die Menschheit zu bringen?

Wo bleibt der Aufschrei des Volkes??

Und gleichzeitig wachsen in unserem reichen Land Kinder in Armut auf, hungern, Bildung bleibt ihnen versagt, kein Geld für Kita und Ganztagsschulen. (Ein gebildetes Volk ist nicht manipulierbar) Die unteren Einkommengruppen werden von unseren Machthabern immer höher belastet, läßt die Reichen noch reicher werden. 

Es ist Zeit aufzustehen, aber wer beginnt?


Montag, 21. November 2011

Freiheit




Mein Name ist Enzo Ferrari.



 Meine Familie sagt, der Name ist Programm, weil ich immer und überall mit Vollgas starte. Meine Schwester ist eine hübsche dreifarbige Lady. Sie heißt Minou. Aufgewachsen sind wir in einem zauberhaften Garten. Zahlreiche Bäume und Sträucher locken Vögel, Igel, Schmetterlinge, Eichhörnchen an, die wir nicht jagen dürfen. Renate sagt, auch die kleinen Lebewesen haben eine Seele und wollen fröhlich durch den Tag springen, fliegen, hüpfen und nicht von solchen Ungeheuern wie wir für sie sind gejagt werden. Und jetzt ist Minou verschwunden. Ich habe sie noch aufgeschreckt von einem lauten Knall aus dem Garten laufen sehen. Jetzt suchen wir sie schon seit Monaten. Damit ich nicht zu traurig bin hat Renate einen Kater aus dem Tierheim geholt. Lenin ist ein toller Kerl. Wir haben uns auf Anhieb gemocht und bereits so manches Abenteuer gemeinsam bestanden. Aber auf meine Insel traut Lenin sich noch nicht. Hier habe ich so oft mit Minou in der Sonne gelegen und zugesehen wie die Fische ihre Kreise zogen und nach Insekten schnappten. (Die dürfen Tiere jagen, dazu sagt Renate nichts) Oft liege ich hier, denke an die Ausflüge, die ich mit Minou unternahm und stelle mir vor wie es ist wenn sie zurück kommt. Verschnaufpause einlegen mussten, sprangen wir zu ihr in den Sessel und machten es uns bequem, kuschelten ein bisschen und schliefen schnurrend ein.

Aber jetzt ist das Buch fertig. Ihre Freunde finden die Geschichte schön, haben beim Lesen geweint und gelacht und sagen, sie soll schnell eine neue Geschichte schreiben. Das würde mir auch gefallen. Dann weiss ich immer, wo sie ist und läuft nicht ständig irgendwo in der Gegend herum wo ich sie nicht finde. Jetzt hat Renate mich gebeten, dass sie meine Erlebnisse und Gedanken veröffentlichen darf. Und wenn Sie sich mit der Vorgehensweise hier vertraut gemacht hat, werden Sie eine Menge über uns erfahren können. Soviel will ich schon verraten, Minou ist immer noch nicht da.  

Luigis Weg in ein gemütliches Zuhause



                    

        Enzo erzählt von Luigis abenteuerlichem Weg ins Natur- und Katzenhaus

Luigi ist ein Kater, wie ich. Er ist nur viel älter und rot getigert mit weißer Schwanzspitze.
Es geschah vor langer Zeit, da wurden drei kleine Kätzchen in einem Haus geboren, in dem eine Familie mit großen persönlichen Problemen wohnte. Das bedeutete, sie zankten und  schrieen den ganzen Tag und ab und zu schubsten und schlugen sie sich. Das war nicht nur für die Kinder furchtbar, die Katzen litten auch und so machten sie sich auf den Weg ein neues zu Hause zu finden. Zu Dritt marschierten sie los und schon nach kurzer Zeit fanden die beiden langhaarigen wunderschönen  Mädchen eine Ruhe und Zuwendung versprechende Unterkunft. Katerchen  war zu scheu sich den Menschen zu nähern.  Durch einen Fußtritt seines ewig schreienden ausrastenden  Futtergebers war sein Kiefer gebrochen, das Fressen beschwerlich und er konnte sein Maul nicht ganz schließen. Es schmerzte. Kam ein Mensch in seine Nähe, geriet er in Panik und seine Augen sprachen von der Angst vor weiteren Schlägen und Tritten. So wanderte er aus der kleinen Stadt hinaus. Es war Sommer und der Tisch für einen hungrigen Kater in der Feldflur reich gedeckt. Regnete es, fand er in einer kleinen Scheune Unterschlupf, in der schon  andere heimatlose Katzen gestrandet waren und ein freundlicher Mann täglich eine große Schale mit Milch füllte.  Es wurde Oktober, der erste kalte Wind strich über abgeerntete Felder. Katerchen war nun fünf Monate alt und ihm war anzusehen, wie groß und stark er einmal werden würde. In der Hierarchie der Scheunenkatzen stand er noch auf der untersten Ebene, aber das störte ihn nicht. Er dachte nie daran die Scheune und seine Kumpel zu verlassen. Aber es kam anders.
Nicht weit von der Scheune entfernt führte ein Spazierweg vorbei, der täglich von vielen Menschen genutzt wurde, ihre Hunde auszuführen. Die meisten fuhren mit dem Auto vor, öffneten die Tür, ihr Hund sprang heraus und rannte im Sauseschritt am Straßenrand entlang und der Mensch fuhr langsam mit dem Auto hinter ihm her. Hier und da gab es auch Menschen die sich darüber freuten mit ihrem Hund zu rennen, zu toben, Stöcke zu werfen und einfach gemeinsam Spaß zu haben. Und das ist die Stelle an der Katerchens Leben sich ändern sollte.
Luise ging mit ihrem kleinen schon etwas älteren, keiner Rasse zugehörenden mit Katzen und Vögeln aufgewachsenen Hund, einfach ein rundherum netter intelligenter schwarzhaariger Herr mit Namen Blacky, den Weg entlang. Sie nahmen sich viel Zeit. Wie jeden Morgen lief ihre  kleine Katze  Flecki hinter ihnen her, während die alten Kater zu Hause blieben und die Ruhe vor der allzu lebendigen Gefährtin genossen.
Es war ein herrlicher Herbsttag, Sonnenschein verwöhnte die Erde und ihre Bewohner und so liefen das Trio fröhlich immer weiter, bis sie den Bereich der eingezäunten Steinbrüche erreicht hatten.   
Was war das? Blacky spitzte die Ohren, Flecki wurde unruhig und versuchte einen Weg über, unter oder durch den Zaun zu finden und Luise nahm ein klägliches Miauen wahr. Sie war eine tatkräftige Frau, zögerte nicht lange, bat die Tiere am Zaun stehen zu bleiben und kletterte kurz entschlossen darüber. Am Rand des Steinbruchs stehend überschaute sie schnell die Situation, in die sich das kleine rote Katerchen gebracht hatte. Wahrscheinlich auf der Kaninchenjagd war er in den Steinbruch gerutscht, auf einem kleinen Vorsprung zum Stehen gekommen und nun wusste er nicht weiter. Zum Heraufklettern war die Wand zu steil und in die Tiefe wollte er auf keinen Fall. Wusste er doch nicht, dass es an anderer Stelle sogar Wege gab, die den LKWs ermöglichten den Steinbruch zu befahren. Luise sprach beruhigend auf ihn ein. Sie ahnte nicht, dass er keinem Menschen vertraute. Was konnte sie unternehmen, um den kleinen Kerl zu retten. Erst einmal bat sie ihn durchzuhalten. Sie würde ganz bestimmt zurück kommen und ihn aus dieser Falle befreien. Katerchen glaubte nichts, aber die Tiere am Zaun signalisierten ihm Zuversicht.
Bereits am frühen  Nachmittag hatte Luise all die Dinge organisiert, mit deren Hilfe sie glaubte Katerchen zu retten und sie belud ihr Auto mit Seil, Futter und einer Katzenfalle aus dem Tierheim. Ein netter Nachbar, zum Glück war er schon im Ruhestand, unterstützte sie bei der Aktion und wie sich jeder denken kann, sie hatte Erfolg.
Wir wissen nicht wie lange Katerchen schon auf dem Vorsprung saß, dass hatte er vor lauter Schreck selber vergessen und auch in späteren Jahren in Gesprächen mit uns jungen Katzen fiel ihm das nicht mehr ein.
Für uns ist nur wichtig, dass er die Falle betrat, die Luise mit Hilfe des Nachbarn und der Seile auf den Vorsprung herunter ließ. Er hatte soviel Hunger, dass er all sein Misstrauen beim Duft der Köstlichkeiten, die da vor ihm ausgebreitet waren, unterdrückte. Er saß in der Falle, wurde hochgezogen, starb fast vor Angst und beim Versuch ihn aus der Falle in einen Katzenkorb zu setzen biss, kratzte und fauchte er so heftig, dass Luise schnell die Falle schloss und ihn darin sitzen ließ.
Am Abend erwartete sie Gäste. Ihr könnt euch sicher denken, wer das war. Als Renate mit ihrem Mann eintraf hatte Katerchen sich immer noch nicht beruhigt, saß verschüchtert in einer Ecke des langen Käfigs und fraß nun auch nicht mehr. Die beiden sprachen mit ihm, bewunderten seine Schönheit, sein kuscheliges Fell und Katerchen spürte ihr Entsetzen über seinen gebrochenen Kiefer.
Im Laufe des Abends kam das Gespräch immer wieder auf  Luises Rettungsaktion zurück und traurig stellte sie fest, ich kann Katerchen nicht behalten. Ihr Mann war allergisch gegen rote Katzenhaare. Renates Mann winkte ab, wir haben mit unseren Tieren genug. Sie blieb still und Luise wollte am nächsten Morgen Katerchen schweren Herzens samt Falle ins Tierheim bringen. 
Auch das kam anders. Im Tierheim war die  Katzenseuche ausgebrochen und die Leiterin befürchtete, dass unser Katerchen zuwenig Widerstandskraft habe und sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen anstecken würde. Ob Luise ihn nicht behalten könnte, bis die Seuche unter Kontrolle gebracht wäre und Katerchen wieder aufgepäppelt sei. Und so stand wenig später die ratlose Luise vor Renates Haustür, Katerchen inzwischen mit Hilfe der erfahrenen Tierheim-Mitarbeiter und dicken Handschuhen  in einen Katzenkorb umgesetzt.
Warum soll ich es lange ausschmücken, Luigi zog zu Renate und ihrer Familie und der restlichen Katzenbande ein.
Der Begin ihrer gemeinsamen Zeit begann mit Aufregungen. Beim ersten Versuch den Korb zu öffnen verschwand Katerchen. „Nicht aufzufinden“ war der Kommentar der Familienmitglieder und Freunde der Kinder, die sich alle an der Suche beteiligt hatten. Renate glaubte nicht das ihr Schützling weit weg gelaufen sei und bat die anderen im Haus zu bleiben. Und sie täuschte sich nicht. Im Garten stand ein zweckentfremdeter Hühnerstall und dort im aufgestapelten Holz saß er, zog sich bei Renates Näherkommen sofort in einen Hohlraum zurück. Aber sie hatte ihn entdeckt und war beruhigt. Er war klug. Er würde die ihm in seiner neuen Familie gebotenen Annehmlichkeiten beim Anblick der anderen Katzen schon erkannt haben.
Eine ganze Woche verbrachte Katerchen in dem Holzstapel. Renate stellte ihm das Futter hin. Er fraß, wenn sie wieder im Haus war. Nachts freundete er sich mit den anderen Katzen an, erfuhr einiges über seine neuen Futtergeber und streckte nach einigen Tagen bereits erwartungsvoll seinen Kopf aus dem Holzstapel hervor und zeigte seine Freude über das ihm so liebevoll zusammen gestellte Futter. Und dann, an einem Sonntagmorgen, die Familie hatte länger geschlafen, die Katzen saßen erwartungsvoll in der Küche und hofften, der Tag würde endlich beginnen, öffnete sich ganz langsam und leise die Katzenklappe und Katerchens Gesicht erschien. Von der Katzenbande herzlich willkommen geheißen setzte er sich mit ihnen in die Runde und als Renate die Küche betrat sah es so aus, als wäre er immer schon bei ihnen gewesen.  Sein Leben lang blieb Katerchen misstrauisch und vorsichtig, aber der  Familie gehörte sein Vertrauen.
Natürlich dauerte es eine Weile bis er sich rundherum in seiner neuen Familie mit all ihren Stärken und Schwäche wohl fühlte und sein Misstrauen ganz ablegte. Da war der Schlagzeug spielende Sohn, der auch noch dem Klavier und der Gitarre für Katzenohren viel zu laute Geräusche entlockte. Aber da auch Oma, Opa und ihr Hund Nicky immer wieder betonten, sie fänden es schön,  wenn die Jugend musiziert und sie mussten schließlich auch dieses Getöse über sich ergehen lassen,  lernte er, seine Ohren zuzuklappen und den Lärm an sich vorbei ziehen zu lassen. Das war beim Gekicher und Geschnatter der Freundinnen der Tochter oft schwieriger. Schließlich wollte er schon wissen, worüber sie sprachen, auch wenn die Tonlage oft schwierig zu ertragen war, für ihn als Kater.
Es wurde Februar. Renate lief schon den ganzen Tag aufgedreht durchs Haus und die Katzen glaubten, der den ganzen Tag vom Himmel fallende Schnee wäre Schuld daran. Das konnten sie verstehen. Sie selber rannten immer wieder Schneeflocken haschend durch den Garten, verfolgten ihre eigene Spur  und tobten über den zugefrorenen Teich. Nur um sich aufzuwärmen gingen sie ins Haus, schliefen einen kurzen Schlaf und rannten wieder hinaus. Das Lieblingsspiel, und das sollte auch in schneefreien Tagen lange so bleiben, war
“Bäume wechseln“. Das lernte ich leider nicht mehr kennen, weil einer der dafür unbedingt gebrauchten Bäume diesem furchtbaren Sturm in einem Januar vor meiner Geburt zum Opfer fiel. Aber die anderen haben mir erzählt, wie viel Spaß es gemacht hatte den Walnussbaum heraufzuklettern, oben angekommen zu warten bis eine andere Katze in der Blumenesche saß,  um dann gleichzeitig loszurennen, in der Mitte des Rasens sich zuzublinzeln und blitzartig den anderen Baum hochzuklettern. Bis zum Umfallen wurde diese Spiel gespielt und die Katzen freuten sich immer wieder über die bewundernden Ausrufe der Familie.
Schon seit dem frühen Nachmittag durfte Katerchen, der jetzt Luigi hieß, nicht mitspielen. Er wurde in einem der wenigen Zimmern im Haus festgehalten, aus dem man als Katze ohne menschliche Hilfe nicht heraus kam. Gemein, sagten alle. Zu früh vertraut, dachte Luigi.
Es war schon dunkel. Nicky wurde zusammen mit Luigi ins Auto gesetzt und Renate fuhr mit ihnen davon und am allerschlimmsten war, sie kam ohne die beiden  zurück.
Später klärte sich natürlich alles auf. Renate fuhr am selben Abend noch einmal davon. Diesmal blieb sie viel länger weg und die Erleichterung der Katzen war groß als sie ihre Kumpel begrüßen konnten, die beide sehr eigenartig durch den Raum torkelten. Für Alkohol verabscheuende Wesen ein eigenartiges Verhalten. Nicky wurde freudig von Oma und Opa in Empfang genommen, und der für eine Katze ungewöhnlich nasse Luigi fiel auf seinen Lieblingsschlafplatz auf Renates Kuscheldecke und schlief auch sofort ein.
Was war mit ihnen geschehen? Auch hier ist die Erklärung wieder sehr einfach. Renate war mit ihnen beim Tierarzt und sie sind kastriert worden. Kaum aus der Narkose wach keimte Luigis altes Misstrauen wieder auf und er nahm die erste sich bietende Gelegenheit wahr davonzurennen. Und Renate rannte hinterher, sozusagen über Stock und Stein. Sie umrundete Hecken, Zäune, betrat fremde Gärten, immer Luigis weiße Schwanzspitze im Auge, der einzige Anhaltspunkt in der Dunkelheit, der Gefahr lief, sich im Schnee zu verlieren. Sie stand erschöpft und mutlos in einem Hauseingang, hatte gerade ein Holzlager umrundet, in der Annahme, Luigi hätte sich dahinter verborgen und nun fand sie ihn nicht mehr. Sie dachte an Nicky, der im kalten Auto lag und bestimmt fror. Da entdeckte sie in einer offenstehenden Garage wieder die weiße Schwanzspitze. Vorsichtig näherte sie sich dem Ausreißer, sah ihm fest in die Augen, sprach leise, beruhigende Worte, erzählte von den zu erwartenden schönen gemeinsamen Tagen und Luigi blieb stehen, erwiderte ihren Blick und ließ sich auf den Arm nehmen und widerstandslos zum Auto tragen und würde nie mehr Misstrauen gegenüber seiner Familie empfinden.
Im Oktober als unsere kleine Kitty starb, Luigis langjährige Freundin und Begleiterin in glücklichen Stunden, verlor er seine Lebensfreude und sein Kumpel Carlito, der beste aller Baumstürmer, konnte ihn nicht trösten. Luigi glaubt, wir Jungen hätten jetzt alles von ihm gelernt, was zu lernen ist und er will zu Kitty und all den anderen, die ihn in seinem Leben begleitet haben, ins Regenbogenland und er steht schon auf der Brücke, sieht Kitty und die anderen winken und sieht dann uns mit großen Augen an, lässt es zu, dass wir ihm zärtlich mit der Zunge über den Kopf streichen und wir sagen ihm, geh nur Luigi, geh ganz ruhig und warte auf uns, eines Tages kommen wir auch und bis dahin werden wir noch viel Erleben, Spaß haben und lachen, aber wir werden dich nie vergessen.




Arischa in der Wintersonne












Schattenspiel